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Auswertung photometrischer Titrationen beim Einsatz mehrfarbiger Leuchtdioden


Diplomarbeit

Dieter H. Reichl

September 1996


Einleitung



Einleitung

D ie quantitative Analyse organischer und anorganischer Stoffe ist eine in der Laborpraxis häufig auftretende Aufgabe. Deshalb sollen Analysen einfacher, schneller und genauer durchgeführt werden können. Zusammenfassungen gebräuchlicher analytischer Methoden der Gravimetrie, Volumetrie sowie elektrochemischer und optischer Methoden sind in ... und anderen Lehrbücher der Maßanalytik zu finden.

I n den Anfangszeiten der chemischen Analytik erfolgte die Maßanalyse fast ausschließlich über kolorimetrische Verfahren. Die erste Verwendung eines Farbindikators beschrieb G. F. Venel im Jahr 1770, indem er bei der Mineralwasseranalyse die Rotfärbung eines Veilchenextrakts beim Zusatz von Schwefelsäure beobachtete. Bis zur Beschreibung des ersten synthetischen Indikators, Phenolphthalein durch E. Luck 1877, standen ausschließlich Pflanzenfarbstoffe zur Verfügung.

D urch die Anwendung des Massenwirkungsgesetzes zur Erklärung des Farbumschlags der Indikatoren, W. Ostwald (1894), konnte der Indikatorumschlag erstmals mathematisch beschrieben werden. Ergänzt wurde dieser Ansatz 1906 von A. R. Hantzsch durch die Chromophortheorie, die den Farbwechsel des Indikators mit einer Strukturänderung bei der Dissoziation erklärt. Je nach Indikator ist für die protonierte oder unprotonierte Form eine Ladungsdelokalisation des -Elektronensystems möglich. Die Verringerung der Anregungsenergie des elektronischen Übergangs zeigt sich in einer höheren Absorptionswellenlänge (bathochromer Effekt). Ab 1950 wurden durch den Einsatz der ersten Spektrometer viele Systeme photometrisch titriert und ausgewertet. Eine allgemeingültige Beschreibung und Auswertung war aber durch die Vielfalt an Titrationskurven nicht möglich, so daß die Anwendung immer auf spezielle Fälle beschränkt blieb.

D ie Einführung der Glaselektrode durch F. Haber und Z. Klemensiewicz 1909 und anderer potentiometrischen Verfahren, sowie deren Einsatz in Verbindung mit einer motorbetriebenen Kolbenbürette, führte ab den 60er Jahren zu einer Zurückdrängung der nur beschränkt automatisierbaren photometrischen Endpunktbestimmung. Die Vereinigung von Indikator- und Bezugselektrode in der Einstabmeßkette ergab ein kompaktes, einfach zu bedienendes und genaues System. Zur quantitativen Bestimmung nahezu aller Metallionen sind ionenselektive Elektroden als Einstabmeßkette im Handel erhältlich.

N eben diesen Vorteilen der potentiometrischen Messung in wässriger Lösung stehen ihrem Einsatz in nichtwässriger Lösungsmitteln einige Nachteile gegenüber. In diesen meist hochohmigen Lösungen treten bei potentiometrischer Messung Fehler durch elektrostatische Aufladungen auf. Diese sind durch Differenzmessungen eliminierbar, es besteht aber weiterhin das Problem, daß die Glaselektrode im verwendeten Lösungsmittel über mehrere Stunden vorkonditioniert werden muß und somit ein schneller Lösungsmittelwechsel zur Titration einer anderen Substanz nicht möglich ist.

B ei photometrischen Titrationsmessungen können diese Probleme prinzipbedingt nicht auftreten. Viele der im deutschen Arzneibuch (DAB) beschriebenen Methoden der Gehaltsbestimmung pharmazeutischer Produkte sind in nichtwässrigen Lösungsmitteln durchzuführen. Gegenwärtig werden diese gegen einen bestimmten Indikator visuell titriert. Als Beispiel sei die Titration des Tranquilizers Diazepam in Acetanhydrid gegen Nilblau genannt. Bei der Wahl einer auf den Indikator abgestimmten Wellenlänge sind diese quantitativen Bestimmungen direkt photometrisch titrierbar.

V orteilhaft ist weiterhin, daß die Gleichgewichtseinstellung der Säure-/Basereaktion des Indikators im Gegensatz zur Potentialeinstellung der Glaselektrode über den ganzen pH-Bereich sehr schnell verläuft. Ist die gerätespezifische Zeit für die Extinktionsbestimmung der entsprechenden Wellenlänge kurz, kann die weitere Volumenzugabe in kurzen Zeitintervallen erfolgen.

Problemstellung und Zielsetzung

D ie Messung der Änderung der Lichtabsoption am Umschlagspunkt des Indikators ist durch zwei grundlegend unterschiedliche Prinzipien möglich. Mit einem Photometer wird die Absorption im Verlauf der Titration bei einer einstellbaren Wellenlänge gemessen. Spektrometer erlauben die gleichzeitige Extinktionsmessung eines variablen Wellenlängenbereiches.

P hotometer, Spektrometer:
Die elektromagnetische Strahlung wird monochromatisiert, durchquert die Probenzelle und wird mit einem Photodetektor in ein elektrisches Signal gewandelt. Dieses wird über eine elektronische Schaltung verstärkt und analog oder digital angezeigt. In den VIS-Spektralphotometern wird die Strahlung von einer Wolframlampe erzeugt und durch ein Reflexionsgitter oder einen Filter monochromatisiert. Die Detektion erfolgt durch eine Photodiode oder einen Photomultiplier. Bei Einstrahlgeräten muß die Probenküvette im Strahlungsgang zur Nullpunktseinstellung durch eine Lösungsmittelküvette ersetzt werden und die Referenzmessung erfolgt zeitlich versetzt zur Extinktionsmessung. Bei Zweistrahlgeräten erfolgt eine automatische Korrektur durch Verhältnisbildung der Referenzstrahlung mit der Intensität der Probe.

D iodenzeilen-Spektrometer:
Das polychromatische Licht der Strahlungsquelle strahlt durch die Probenzelle, wird danach über ein Gitter spektral zerlegt und mit einem Diodenzeile gemessen. Durch den Einsatz eines Diodenzeilen-Spektrometers ist es möglich, die Absorptionsänderung gleichzeitig im gesamten Wellenlängenbereich on-line zu messen.

V or- und Nachteile beider Verfahren sowie Möglichkeiten, die Kenngrößen der betreffenden Spektrometer zu messen und zu optimieren, werden in ... diskutiert.

D ie Probenzelle besteht in beiden Fällen entweder aus einer Küvette, hier speziell aus einer Titrationsküvette, die in den Strahlengang gebracht wird oder einer Meßsonde, die direkt in die Titrationslösung eingetaucht wird. Das Licht wird dazu über einen Lichtleiter von der Lichtquelle zur Sonde und wieder zurück zum Detektor geführt.

D ie für die photometrische Titration existierenden Systeme bestehen gegenwärtig aus einem Ein- oder Zweistrahlphotometer. Titrationsküvetten und Tauchsonden sind zum direkten Anschluß an das Photometer erhältlich. Diodenzeilen-Spektrometer finden aufgrund ihres hohen Preises dabei keine Anwendung.

Z iel der vorliegenden Arbeit war es, durch Einsatz eines Lichtleiters und mehreren monochromatischen Lichtquellen einen kostengünstigen photometrischen Titrationsstand aufzubauen. Im Gegensatz zu bereits existierenden Photometern sollte das Gerät simultan bei mindestens 2 Wellenlängen messen können. Das Gerät bietet eine eingeschränkte spektrale Auflösung, die je nach Wellenlänge der eingesetzten LEDs dem Problem angepaßt werden kann. Es nimmt somit eine Zwischenstellung zwischen der monochromatischen Messung eines Photometers und der polychromatischen Messung eines Diodenzeilen-Spektrometers ein. Das Gerät sowie geeignete Indikatoren zur Säure/Base-Titration waren zu charakterisieren. Die Vorteile der potentiometrischen Titration, schnelle Meßfolgen und universell einsetzbare Elektrode, sollten auf die photometrische Titration übertragen werden.

W eiterhin sollte ein Verfahren zur Auswertung der photometrischen Kurven entwickelt werden, das alle in der Praxis auftretenden Kurventypen ausreichend genau beschreibt.

D azu wurden mit einem Zweistrahl-Spektrometer Titrationsspektren verschiedener Indikatoren aufgenommen. Aus diesen Werten wurde mittels Multikomponentenanalyse die zur Beschreibung des Titrationsverlaufs notwendigen Wellenlängen berechnet.

U m den experimentellen Aufwand sinnvoll zu begrenzen, wurden in der folgenden Arbeit ausschließlich Säure-/Base-Titrationen in wässriger Lösung durchgeführt. Die dabei abgeleiteten Titrationskurven sowie deren Auswertung sind direkt auf alle anderen Titrationssysteme, auch in nichtwässrigen Lösungsmitteln, übertragbar.

Diskussion und Ausblick

I n der vorliegenden Arbeit wurde ein einfacher und günstiger Titrationsstand mit eingeschränkter spektraler Auflösung aufgebaut und charakterisiert. Weiterhin konnte gezeigt werden, daß eine Beschreibung und Auswertung nahezu aller photometrischen Titrationskurven über eine Annäherung deren Ableitung möglich ist. Ein Parameter dieser Fitfunktion beschreibt dabei den Titrationsendpunkt. Daneben wurde eine explizite Gleichung zur Berechnung der Extinktion gefunden, die alle Titrationskurven über die entsprechenden Parameter exakt beschreibt. Über deren zweite Ableitung konnten Aussagen zur Differenz des Wendepunkts vom Titrationsendpunkt getroffen werden. Ein Vergleich der berechneten Kurve mit einer praktischen Titrationskurve sowie der Näherungsfunktion zeigt deren Richtigkeit.

A ls Ergebnis der Charakterisierung des Titrationsaufbaus kann gesagt werden, daß dessen Genauigkeit die visuelle bei weitem übertrifft und annähernd an die der potentiometrischen Messung heranreicht. Die einfache Handhabbarkeit der Meßsonde entspricht der der Glaselektrode, sie ist mechanisch und chemisch jedoch stabiler. Eine weitere Vereinfachung der Sonde ließe sich durch direkten Einbau der Leuchtdioden und der Photodiode in die Sonde erreichen, die Referenzierung der Leuchtdiode über den zweiten Detektor geht dabei allerdings verloren.

E in Vergleich gegen andere Photometer wurde noch nicht durchgeführt. Ebenfalls wurde die Möglichkeit der Auswertung zweier Wellenlängen noch nicht weiterverfolgt, aus den Ergebnissen der Multikomponentenanalyse lassen sich für jeden Indikator optimale Wellenlängenkombinationen bestimmen.

E ine Abschätzung der Titrationsgeschwindigkeit erfolgte nicht, da alle Programmteile nicht auf maximale Titrationsgeschwindigkeit programmiert wurden. Im Gegensatz zur potentiometrischen Messung ist keine dynamisch angepaßte Volumenzugabe möglich. Die schnelle Gleichgewichtseinstellung der chemischen Reaktion im Gegensatz zur Glaselektrode läßt eine erhöhte Inkrementfolge zu. Mit, auf eine spezielle Titrationssonde angepaßten, Programmroutinen sollte damit eine ähnlich schnelle Titration wie bei potentiometrischer Messung möglich sein. Die Titrationszeit läßt sich ebenfalls durch eine Erhöhung der Inkrementgröße verringern. In diesem Zusammenhang sind auch die Beziehungen der Inkrementgröße auf die Richtigkeit der Analyse zu ermitteln.

Ü ber eine genaue Analyse der Funktion läßt sich möglicherweise eine verbesserte Fitfunktion finden, die den Titrationsendpunkt auch für extrem flache Kurvenverläufe richtig beschreibt. Dazu sind jedoch weitere Untersuchungen notwendig. In diesem Zusammenhang können dann auch noch verschiedene Auswerteverfahren verglichen werden.